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Zum Thema Sonstiges
- "Klimaneutrale" Lebensmittel: Bei Werbung ohne weitergehende Information droht Unterlassungsklage
- Ersatzbeförderung und Ausgleichszahlung: Rollstuhlfahrer durfte Flugzeug erst als Letzter verlassen und verpasste Anschlussflug
- Kosten der Schadensabwendung: Mahnung entbehrlich, wenn Schuldner vor Fälligkeit erklärt, nicht rechtzeitig leisten zu können
- Zulässige Meinungsäußerung: Die angebliche Zusammenarbeit einer Profilerin mit Querdenkerbewegung
- Zweijährige Klagefrist: Folgen unzureichender Erstversorgung an Bord eines Flugzeugs fallen unter EU-Recht
Wer heutzutage verantwortungsvoll naschen und schlemmen möchte, sollte allgemein auf mehr achten als nur auf seine eigene schlanke gute Linie. Klimaneutralität ist eines der Schlagworte, nach denen sich manche Verbraucher in ihrem Konsumverhalten richten - ein schlagkräftiges Verkaufsargument also für einige Unternehmen. Zu Recht? Das musste das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) bei gleich zwei Firmen entscheiden.
Bei den beiden Herstellern handelte es sich um einen Fruchtgummihersteller und einen Hersteller von Konfitüren. Beide warben mit dem Begriff "klimaneutral" und wurden daher von einer Wettbewerbszentrale jeweils auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Die Richter setzten zunächst einmal voraus, dass der durchschnittliche Verbraucher den Begriff "klimaneutral" im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO2-Emissionen eines Produkts verstehe. Dabei sei ihm bekannt, dass diese Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen (z.B. Zertifikatehandel) erreicht werden könne. Und genau auf eine solche Information käme es an, um die Behauptung zu belegen. Und hier unterschieden sich die beiden Fälle.
Im Falle der Konfitürenherstellerin (I-20 U 72/22) enthielt weder ihre Werbeanzeige in einer Zeitschrift für Lebensmittel noch die Produktverpackung einen Hinweis darauf, wie es zur behaupteten Klimaneutralität kommt. Sie wurde daher zur Unterlassung verurteilt.
Dagegen hatte der Fruchtgummihersteller (I-20 U 152/22) die erforderlichen Informationen in ausreichender Weise zur Verfügung gestellt. Der Leser der Werbeanzeige in der Zeitschrift für Lebensmittel könne über den darin enthaltenen QR-Code die Website von "ClimatePartner.com" aufsuchen, auf der die erforderlichen Angaben entnommen werden können. Dies war nach Ansicht des OLG in diesem Fall zur Information der Verbraucher ausreichend.
Hinweis: Ein Link oder QR-Code mit weiterführenden Informationen reicht also aus, um Produkte als "klimaneutral" bezeichnen zu können. Ob das, was dann dort steht, allerdings richtig ist, steht auf einem anderen Blatt.
Quelle: OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.07.2023 - I-20 U 72/22, I-20 U 152/22
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(aus: Ausgabe 09/2023)
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit dem folgenden Urteil die Rechte von Reisenden mit Handikap enorm gestärkt. Denn hier scheint es, dass ein Mensch durch die Tatsache, auf einen Rollstuhl angewiesen zu sein, eher wie sperriges Gut behandelt wurde. Er musste zuletzt aussteigen und verpasste seinen Anschlussflug. Ob er auf Ausgleich hoffen durfte? Der BGH hat diese Frage beantwortet.
Über eine Internetplattform wurden ein Flug für insgesamt fünf Personen bei einer Airline von Frankfurt am Main nach Budapest und von Budapest nach Sankt Petersburg gebucht. Einer der Reisenden war auf einen Rollstuhl angewiesen und durfte in Budapest das Flugzeug erst nach allen anderen Passagieren verlassen. Er und seine Hilfsperson verpassten deshalb den zweiten Flug, während die anderen Passagiere den Flug erreichten. Schließlich bemühten sie sich um einen Ersatzflug und erreichten Sankt Petersburg knapp zehn Stunden später. Nun wollten sie die Kosten der Ersatzbeförderung und eine Ausgleichszahlung erhalten. Dabei ging es pro Passagier um jeweils 627,27 EUR.
Der BGH gab den Klägern Recht. Die Airline war für die große Ankunftsverspätung verantwortlich, wenn sie einem Fluggast unter Verstoß gegen Art. 11 Abs. 1 Fluggastrechteverordnung die Möglichkeit genommen hatte, den direkten Anschlussflug rechtzeitig zu erreichen. Auf die Frage, ob ein spezieller Rollstuhlservice für den Transfer gebucht und verspätet erbracht wurde, kommt es bei einem Verstoß des Unternehmens nicht an. Die Airline war verpflichtet gewesen, die beiden Reisenden nach Ankunft in Budapest vorrangig aussteigen zu lassen.
Hinweis: Der Fall ist an sich schon unglaublich. Wir diskutieren über Integration - und eine Fluggesellschaft schafft es nicht, dass ein Rollstuhlfahrer mit seiner Begleitung den Anschlussflug erreichen kann? Wir sollten uns alle mehr an der Integration beteiligen, denn eine Behinderung kann jeden treffen.
Quelle: BGH, Urt. v. 20.06.2023 - X ZR 84/22
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(aus: Ausgabe 09/2023)
Ein Grundsatz besagt: Wer seine Schulden nicht zahlt, muss zunächst abgemahnt werden, bevor er rechtliche Schritte zu erwarten hat. Wie es aber mit Grundsätzen so ist: Es gibt Ausnahmen - auch in diesem Fall, der bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) ging.
Produktionsteile für die Montage von Fahrzeugcockpits sollten nach Mexiko verschifft werden. Dann musste allerdings mitgeteilt werden, dass die Teile wegen eines Maschinenschadens erst später versendet werden konnten. Ein vorheriges Verschiffen sei nicht möglich. Daraufhin wurde eine andere Spedition beauftragt, die Teile per Luftfracht zu befördern. Es entstanden Kosten in Höhe von knapp 13.000 USD. Diese Summe wurde nun eingefordert. Die Schifffahrtspedition wollte die Summe nicht zahlen und meinte, sie befände sich nicht in Verzug, da keine Mahnung vorgelegen hätte.
Das sah der BGH allerdings anders. Eine Mahnung sei dann entbehrlich, wenn der Schuldner noch vor Fälligkeit erkläre, dass er nicht rechtzeitig leisten könne. In einem solchen Fall würde es eine reine Förmelei darstellen, den Eintritt des Verzugs von einer Mahnung des Gläubigers abhängig zu machen. Das Gericht gab der Klage auf Schadensersatz daher statt.
Hinweis: Trotz dieses Urteils sind viele Parteien - gerade im Kaufrecht(!) - gut beraten, eine Mahnung abzusenden, bevor sie weitere Maßnahmen ergreifen. Denn in vielen Fällen ist eine Mahnung erforderlich, bevor der Schuldner in Verzug gerät.
Quelle: BGH, Urt. v. 20.04.2023 - I ZR 140/22
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(aus: Ausgabe 09/2023)
Die Abgrenzung zwischen einer Tatsachenbehauptung und einer Meinungsäußerung ist presserechtlich immer wieder Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen - auch in diesem Fall vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG).
Eine sogenannte "Profilerin" trat als Rednerin bei Veranstaltungen auf. Im Zuge einer Teilnahme der Frau als Expertin bei einer Fernsehsendung berichtete eine überregionale Tageszeitung, dass die Frau "mit Anhängern der Querdenkerbewegung" zusammenarbeite. Unstreitig war, dass sie tatsächlich mit vier der dort genannten Personen zusammengearbeitet hatte. Auf einer Verlagswebsite der Profilerin wurden diese Personen nämlich als "handverlesene Autoren" aufgeführt, die auch für den entsprechenden Verlag arbeiten würden. Die Profilerin verlangte von der Tageszeitung dennoch die Unterlassung der Berichterstattung.
Damit kam sie beim OLG nicht weiter. Bei der angegriffenen Äußerung handelte es sich um ein Werturteil - und damit um eine Meinungsäußerung. Der Begriff der Querdenkerbewegung ist unscharf und skizziere "eine äußerst heterogene, nicht klar zu umreißende Initiative, die die Pandemie bzw. das Coronavirus leugnet, Schutzmaßnahmen des Staates zur Bekämpfung und Eindämmung der Coronapandemie ablehnt und dabei auch Verschwörungserzählungen verbreitet", so das Gericht. Die Zeitung hatte aus Äußerungen und Kontakten zu vier im Artikel genannten Personen darauf geschlossen, dass diese Personen der Bewegung zuzuordnen sind, und für diese Einschätzung auch tatsächliche Anhaltspunkte vorgebracht.
Hinweis: Wer gegen Äußerungen in der Presse vorgehen möchte, sollte anwaltlich gut beraten sein.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 28.06.2023 - 16 U 74/22
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(aus: Ausgabe 09/2023)
An Bord eines Flugzeugs ereignete sich ein Unfall. Dieser für sich war jedoch nicht direkt Dreh- und Angelpunkt, warum der Europäische Gerichtshof (EuGH) zu Rate gezogen werden musste. Vielmehr ging es um die Frage, ob die Folgen einer daraufhin erfolgten schädlichen Erstversorgung dem EU-Übereinkommen von Montreal oder aber den landesspezifischen (hier österreichischen) Gesetzen unterliegen. Warum das? Weil es um die Frist ging, innerhalb derer eine Klage wegen Schadensersatzes und eventueller Folgeschäden einzureichen ist.
Während eines Flugs mit einer österreichischen Airline kippte eine Kanne mit heißem Kaffee von einem Servierwagen auf einen Passagier, der sich dabei Verbrühungen zuzog. Er erhielt an Bord des Flugzeugs zwar eine medizinische Erstversorgung, diese war allerdings so unzureichend, dass sie die Verbrühungen noch verschlimmerte. Schließlich klagte der Passagier mehr als zwei Jahre später vor den österreichischen Gerichten auf Schadensersatz und Feststellung der Haftung für alle künftigen Schäden. Die Airline meinte hingegen, dass die Klage zu spät eingereicht wurde. Denn nach dem EU-Übereinkommen von Montreal hätte die Klage binnen zwei Jahren eingereicht werden müssen. Der Geschädigte sah das anders, da die medizinische Erstversorgung an Bord nicht unter den Begriff "Unfall" im Sinne des EU-Übereinkommens falle. Deshalb sei das EU-Recht auf seine Klage auch nicht anzuwenden, da diese innerhalb des in Österreich vorgesehenen dreijährigen Zeitraums eingereicht worden sei. Das österreichische Gericht hatte den EuGH daraufhin um Rat gefragt.
Der EuGH meinte nun, dass sich die nach dem Übereinkommen von Montreal vorgesehene verschuldensunabhängige Haftung von Fluggesellschaften auch auf eine unzureichende medizinische Erstversorgung an Bord erstrecke. Damit ist vorrangig EU-Recht anzuwenden - und die Klage wurde somit verspätet eingereicht.
Hinweis: Airlines müssen dafür sorgen, dass verletzte Passagiere eine ausreichende medizinische Erstversorgung an Bord erhalten. Ist diese Versorgung mangelhaft, muss die diesbezügliche Klage innerhalb von zwei Jahren eingereicht werden.
Quelle: EuGH, Urt. v. 06.07.2023 - C-510/21
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(aus: Ausgabe 09/2023)
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