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Zum Thema Verkehrsrecht
- Bundesgerichtshof bestätigt: Autofahrer dürfen am Steuer keinen Taschenrechner benutzen
- Das "Halten" ohne Hände: Ein während der Fahrt zwischen Ohr und Schulter eingeklemmtes Handy führt auch zum Bußgeld
- Grobe Verkehrswidrigkeit: Wer unachtsam eine Fahrbahn überquert, trägt im Ernstfall die alleinige Haftung
- Reparaturnachweis genügt: Bei fiktiver Abrechnung auf Basis eines Gutachtens muss keine Rechnungsvorlage erfolgen
- Verkehrssicherungspflicht auf Gehwegen: Durchhängende Kettenabsperrung ist auch für einen Achtjährigen nicht zu übersehen
Das folgende Urteil mag der regelmäßigen Leserschaft bekannt vorkommen. Kein Wunder, denn hier wollte der Beklagte letztinstanzlich vom Bundesgerichtshof (BGH) wissen, ob das Bedienen eines Taschenrechners während der Autofahrt mit einem Bußgeld geahndet werden kann.
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall war der Autofahrer bereits von Oberlandesgericht Hamm zu einer Geldbuße verurteilt worden, weil er während der Fahrt einen Taschenrechner bedient hatte. Der BGH hat nun bestätigt, dass ein Taschenrechner der Regelung der Straßenverkehrsordnung (StVO) unterfällt, weil es sich um ein elektronisches Gerät handelt, das der Information dient. Am Steuer darf ein Taschenrechner daher nicht benutzt werden. Elektronische Geräte, die der Kommunikation, Information und Organisation dienen, sowie Geräte der Unterhaltungselektronik und Navigationsgeräte dürfen ebenfalls nicht mehr verwendet werden. Sie dürfen vom Fahrzeugführer nur noch benutzt werden, wenn sie hierfür weder aufgenommen noch in der Hand gehalten werden. Auch dann darf der Fahrer den Blick aber nur kurz vom Verkehr abwenden, oder er muss eine Sprachsteuerung nutzen.
Hinweis: Durch die 53. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 06.10.2017 ist die Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO grundlegend umgestaltet worden. An die Stelle der früheren, vom Verordnungsgeber nicht mehr als zeitgemäß erachteten Verbotsnorm, die lediglich für Mobil- oder Autotelefone galt, ist eine als Gebotsvorschrift ausgestaltete Bestimmung getreten, die regelt, wie und wann die in der Vorschrift genannten elektronischen Geräte beim Führen eines Fahrzeugs benutzt werden dürfen. Damit wird der Zweck deutlich, zur Verkehrssicherheit die Regelung über den bisherigen Bereich der Mobil- und Autotelefone hinaus auszudehnen. Eine Benutzung der in der Vorschrift näher bezeichneten elektronischen Geräte wird nun davon abhängig gemacht, dass die Hände des Fahrzeugführers während der Fahrt grundsätzlich zur Bewältigung der Fahraufgaben zur Verfügung stehen und der Blick des Fahrzeugführers im Wesentlichen - von kurzen Blickabwendungen abgesehen - auf das Verkehrsgeschehen konzentriert bleibt.
Quelle: BGH, Beschl. v. 16.12.2020 - 4 StR 526/19
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 04/2021)
Zugegeben - in Sachen sprachlicher Spitzfindigkeit ist Jura oftmals ein wahres Minenfeld. Jedoch ist neben einer oftmals wörtlichen Auslegung von Gesetzen auch stets die Lebenswirklichkeit mit einzubeziehen. So versuchte eine Frau im folgenden Fall, ihre Telefonnutzung während der Fahrt mit der sprachlichen Auslegung des Worts "Halten" zu rechtfertigen. Doch das Oberlandesgericht Köln (OLG) klärte die Autofahrerin deutlich auf, was das betreffende Gesetz damit bezweckt.
Auf einem im Rahmen einer Geschwindigkeitsmessung aufgenommenen Messfoto war zu erkennen, dass die Fahrzeugführerin ein Mobiltelefon zwischen der Schulter und dem Kopf eingeklemmt hatte. Sie räumte ein, dass sie dieses auch durchaus zum Telefonieren genutzt habe, das Telefon jedoch bereits vor Fahrtantritt in der abgebildeten Haltung hielt. Sie war dabei der Auffassung, dass es sich hierbei nicht um ein "Halten" im Sinne der Straßenverkehrsordnung handele, da dieses schließlich ein Halten in der Hand voraussetze.
Das OLG sah dies jedoch anders und entschied, dass das sprachliche "Halten" eines Gegenstands nicht notwendig die Benutzung der Hände voraussetze. Zudem liegt in dem derartigen Einklemmen des Mobiltelefons ein nicht unerhebliches Gefährdungspotential, weil das Risiko besteht, dass das Mobiltelefon sich aus dieser "Halterungsform" lösen kann. Das kann den Fahrer wiederum zu unwillkürlichen Reaktionen verleiten, um zu verhindern, dass es etwa im Fußraum des Fahrzeugs landet. Schon um diesem Risiko entgegenzuwirken, werde der Fahrer einen ansonsten dem Verkehrsgeschehen zuzuwendenden Teil seiner Aufmerksamkeit seinem Mobiltelefon schenken. Eben jener Umstand unterscheide eine derartige Nutzung des Mobiltelefons auch von derjenigen mittels einer Freisprecheinrichtung, bei der sich der Fahrer um die Stabilität der Halterung keine Gedanken machen müsse.
Hinweis: Die Benutzung der Hände ist demnach nicht erforderlich, um das Handy verkehrswidrig zu nutzen, weil das Risiko besteht, dass das sich Mobiltelefon löst und den Fahrer dann zu unwillkürlichen Reaktionen verleitet.
Quelle: OLG Köln, Beschl. v. 04.12.2020 - III-1 RBs 347/20
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(aus: Ausgabe 04/2021)
Kaum hat ein Mensch laufen gelernt, wird ihm mühsam beigebracht, dass er vor dem Überqueren einer Fahrbahn dringend die entsprechende Vorsicht walten lassen muss. Mit der Reife kommt dann der zu bewältigende Alltag hinzu, so dass diese Lehrstunde viel zu oft in Vergessenheit gerät. Doch immerhin bleibt Erwachsenen im Ernstfall noch der Rechtsweg - ob dieser vor dem Oberlandesgerichts Koblenz (OLG) etwas brachte, lesen Sie hier.
Eine Fußgängerin, die einen Einkaufswagen vor sich herschob, ging den Bürgersteig einer Bundesstraße entlang, die sie schließlich überqueren wollte. Es kam, wie es kommen musste, und zwar zum Unfall. Bei diesem verletzte sich die Frau erheblich, so dass sie den Autofahrer in Mithaftung ziehen wollte.
Eine solche Mithaftung konnte das OLG jedoch nicht feststellen. Nach Überzeugung der Richter hatte die Fußgängerin die Straße betreten, ohne sich zuvor in irgendeiner Art und Weise zu vergewissern, ob sich ein Fahrzeug näherte. Nach den Feststellungen des Sachverständigen hätte die Fußgängerin den Unfall vermeiden können, indem sie angesichts des sich erkennbar nähernden Fahrzeugs ihr Vorhaben, die Fahrbahn zu überqueren, zurückgestellt hätte. Das Gericht berücksichtigte dabei zudem, dass die Fußgängerin dunkel gekleidet und es zum Unfallzeitpunkt bereits dunkel war. Mithin habe die Fußgängerin grob verkehrswidrig gehandelt, so dass eine Mithaftung des Autofahrers ausscheidet.
Hinweis: Um eine zumindest eine Mithaftung des Pkw-Fahrers zu begründen, hätte die Fußgängerin beweisen müssen, dass dieser ebenfalls schuldhaft zu dem Zustandekommen des Verkehrsunfalls beigetragen hat. Nach den Feststellungen des Sachverständigen konnte aber nicht festgestellt werden, dass der Fahrer ausreichend Zeit hatte, auf das nicht vorhersehbare Queren der Frau zu reagieren.
Quelle: OLG Koblenz, Urt. v. 21.12.2020 - 12 U 401/20
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(aus: Ausgabe 04/2021)
Die fiktive Abrechnung ist im Verkehrsrecht ein stets beliebter Streitpunkt zwischen den Unfallparteien bzw. ihren Versicherungen. Im Fall des Oberlandesgerichts München (OLG) war der Aufwand einer gemäß Gutachten erfolgten Reparatur nicht nur strittig - der Geschädigte weigerte sich zudem, die diesbezügliche Rechnung vorzulegen. Ob dies ein cleverer Schachzug war, lesen Sie hier.
Der Geschädigte ließ nach dem Unfall die Reparaturkosten durch einen Sachverständigen zunächst einmal schätzen. Dieser ermittelte daraufhin die Reparaturkosten von 10.000 EUR. Die gegnerische Haftpflichtversicherung meinte hingegen, dass lediglich 5.000 EUR für die zwischenzeitlich durchgeführte Reparatur angefallen seien.
Das OLG sprach dem Geschädigten jedoch die vollen Reparaturkosten zu. Anders als in einem vom Bundesgerichtshof (BGH) entschiedenen Fall hat der Geschädigte hier die Reparaturkostenrechnung nicht vorgelegt. Hätte er dies getan, hätte er nach der BGH-Rechtsprechung nur die tatsächlich angefallenen Bruttoreparaturkosten erstattet bekommen. Doch generell hat ein Geschädigter stets die Wahl, ob er die tatsächlich angefallenen oder die gemäß einem Sachverständigengutachten erforderlichen (fiktiven) Reparaturkosten als Schadensersatz geltend macht.
Hinweis: In dem vom OLG entschiedenen Fall hatte der Geschädigte nachgewiesen, dass er entsprechend dem Gutachten sein beschädigtes Fahrzeug vollständig und fachgerecht hat reparieren lassen. Wenn ein solcher Nachweis erbracht wird, sollte die Vorlage einer Reparaturkostenrechnung unterbleiben.
Quelle: OLG München, Urt. v. 17.12.2020 - 24 U 4397/20
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 04/2021)
Bei Verkehrssicherungspflichten und Klagen gegen die dafür Verantwortlichen ist es stets wichtig, die Verhältnisse zum Unfallzeitpunkt auf sogenannte hinreichend aufmerksame Verkehrsteilnehmer abzustellen. Ob auch ein achtjähriges Kind dazu zu zählen ist, musste im folgenden Fall das Oberlandesgericht Nürnberg (OLG) in einem Lokaltermin prüfen und abschließend bewerten.
Das achtjährige Kind war mit seinem Vater bei Dämmerung auf dem Gehweg zu Fuß unterwegs. Vor dem Straßenübergang blieb das Kind stehen, entdeckte das Fahrzeug seines Vaters, das auf einem Parkplatz unmittelbar gegenüber geparkt war, und rannte los. Hierbei übersah es jedoch eine entlang des Gehwegs gespannte Kette, die in etwa dieselbe Farbe wie der Straßenbelag hatte. Das Kind rannte dagegen, stürzte und verletzte sich schwer.
Das in der Berufungsinstanz mit der Sache befasste OLG führte einen Ortstermin durch, bei dem die gleichen Lichtverhältnisse herrschten wie zum Unfallzeitpunkt. Es stellte dabei fest, dass die Kette zwischen den Metallpfosten in einer Höhe von 76 bis 93 cm durchhängt. Die Kette dient der Absperrung des Fußwegs an einer stark befahrenen Straße und soll den Durchgang nur an besonders markierten Stellen ermöglichen. Die Richter konnten sich davon überzeugen, dass die Kette auch bei den zum Unfallzeitpunkt herrschenden Lichtverhältnissen und auch unter Berücksichtigung der Körpergröße des Kindes bei gebotener Aufmerksamkeit nicht zu übersehen sei. Damit entfalle eine Haftung der verklagten Stadt.
Hinweis: Jeder Verkehrsteilnehmer muss selbst die erforderliche Sorgfalt walten lassen, da eine Kommune nur solche Gefahren ausräumen und gegebenenfalls vor ihnen warnen muss, die für hinreichend aufmerksame Verkehrsteilnehmer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind. Im zu entscheidenden Fall war auch zu berücksichtigen, dass durch die deutlich markierten rot-weißen Metallpfosten und den an einigen Stellen abgesenkten Gehweg jedem bewusst sein musste, an welchen Stellen man die Straße überqueren soll.
Quelle: OLG Nürnberg, Urt. v. 18.11.2020 - 4 U 47/20
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 04/2021)
Sollten Sie Fragen zu den angeführten Entscheidungen der Gerichte haben, die in Bezug zu Ihrem persönlichen Anliegen stehen, treten Sie gern mit uns in Verbindung.