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Zum Thema Verkehrsrecht
- Betrachtung des Schadensgeschehens: Anscheinsbeweis entscheidet nach berührungslosem Unfall
- Ersatz unfallbedingter Kosten: Mietwagen auch nach Unfall mit Fahrzeug ohne HU-Plakette
- Hinterbliebenengeld: Stark alkoholisierter Fußgänger trägt Hauptverantwortung beim Überqueren der Fahrbahn
- Mithaftung trotz Vollkasko: Wer im Mietfahrzeug die Durchfahrtshöhe ignoriert, handelt grob sorgfaltswidrig
- Widerrufsbelehrung ohne Telefonnummer: BGH nimmt Verbraucher bei Onlineverträgen stärker in die Eigenverantwortung
Im Straßenverkehr entscheiden Sekunden, wie glimpflich eine unerwartete Begegnung ausgeht. Deshalb haben Gerichte über Kausalitäten und Verantwortlichkeiten auch bei jenen Unfällen zu entscheiden, bei denen es gar nicht zu Berührungen der Unfallgegner bzw. von deren Fahrzeugen gekommen ist. Im Folgenden hatte der Bundesgerichtshof (BGH) das letzte Wort.
Der Kläger fuhr mit seinem Motorrad hinter einem Pkw. Die Beklagte fuhr ihrerseits mit ihrem Pkw die Gegenrichtung entlang, als ihre Fahrbahn in einer leichten Rechtskurve durch ein Müllabfuhrfahrzeug blockiert wurde. Um an diesem Fahrzeug vorbeizufahren, wechselte die Beklagte auf die Gegenfahrbahn. Der ihr dort entgegenkommende Pkw bremste stark ab, um eine Kollision mit der Beklagten zu vermeiden. Auch der hinter diesem Pkw fahrende Biker machte eine Vollbremsung, wobei sein Motorrad ins Rutschen geriet, stürzte und sich der Mann dabei erhebliche Verletzungen zuzog. Zu einer Kollision des Motorrads mit dem vorausfahrenden Pkw kam es glücklicherweise nicht auch noch. Dennoch begehrte der Kläger die Feststellung, dass die Beklagten zum Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens nach einem Verkehrsunfall verpflichtet seien.
Der BGH hat entschieden, dass die Beklagte dem Kläger gegenüber zu 40 % haftet, obwohl keine Kollision stattgefunden habe. Das Fahrverhalten der Beklagten hatte den Sturz des Klägers verursacht. Sie hatte ein Müllabfuhrfahrzeug umfahren, was eine Vollbremsung des Gegenverkehrs und den Sturz des Klägers zur Folge hatte. Der Wechsel auf die Gegenfahrbahn, um an dem haltenden Müllabfuhrfahrzeug vorbeizufahren, beeinflusste das Fahrmanöver des Klägers - zumindest mittelbar. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist ein Schaden nämlich bereits dann bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben. Das sei dann gegeben, sobald bei der gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit-)geprägt worden ist. Dem Kläger war dennoch eine Mithaftung anzurechnen, weil er die Vorder- und Hinterradbremse derart betätigt hatte, dass beide Bremsen am Motorrad blockierten. Der Sturz wäre bei dem Motorrad des Klägers, das nicht über ein ABS verfüge, durch eine kontrollierte Betätigung der Vorderradbremse demnach vermeidbar gewesen.
Hinweis: Ein sogenannter berührungsloser Unfall ist dann bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, wenn also bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit-)geprägt worden ist. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht.
Quelle: BGH, Urt. v. 03.12.2024 - VI ZR 18/24
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 05/2025)
In der Regel müssen sich privat gefahrene Pkws und Motorräder alle 24 Monate einer Hauptuntersuchung (HU) unterziehen. Wer eine solche schwänzt und dann einen Unfall verursacht, der auf einen Mangel zurückzuführen ist, der bei der HU beanstandet worden wäre, kann in Regress genommen werden. Ob aber auch ein unverschuldeter Unfall einen Fahrzeughalter teuer zu stehen kommt, der seiner Pflicht zur HU nicht nachgekommen war, musste der Bundesgerichtshof (BGH) klären.
Ein Autofahrer erlitt einen unverschuldeten Unfall und machte daraufhin seine Ansprüche der gegnerischen Versicherung gegenüber geltend. Diese zahlte auch fast alles, verweigerte aber die Erstattung der Mietwagenkosten für die Dauer der Reparatur. Sie argumentierte, dass der verunfallte Wagen keine gültige HU-Plakette aufgewiesen habe. Daher habe der Fahrzeugführer das Fahrzeug nicht mehr fahren dürfen. Er hätte den Wagen sowieso in die Werkstatt geben müssen, um die HU durchführen zu lassen, so dass die Mietwagenkosten nicht wegen des Unfalls angefallen wären, sondern nur "bei Gelegenheit" des Unfalls. Das wollte der Geschädigte nicht hinnehmen und klagte.
Der BGH entschied, dass allein das Überschreiten des HU-Termins nicht dazu führt, dass das Fahrzeug nicht mehr gefahren werden darf - selbst bei einer erheblichen Überschreitung von mehr als einem halben Jahr. Denn: Solange keine behördliche Untersagung vorliegt, darf so ein Fahrzeug gefahren werden, wenn das Fahrzeug verkehrssicher und mängelfrei ist. Hier ist daher der Werkstattaufenthalt allein durch den Unfall motiviert gewesen. Die Vorinstanz hatte keine Feststellungen dazu getroffen, ob das Fahrzeug verkehrssicher war, daher wurde der Fall für eben jene Feststellungen dorthin zurückverwiesen.
Hinweis: Richtig ist zwar, dass mit der HU dafür gesorgt werden soll, dass Fahrzeuge während ihres Betriebs in einem sicheren und umweltfreundlichen Zustand gehalten werden. Doch auch wenn die zuständige Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung ein Nutzungsverbot nicht bereits beim Überschreiten des Vorführtermins eines Pkw zur HU vorsieht: Gehen Sie auf Nummer sicher und mit Ihrem Fahrzeug fristgerecht zum TÜV oder zur Dekra.
Quelle: BGH, Urt. v. 03.12.2024 - VI ZR 117/24
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 05/2025)
Verliert eine Mutter ein Kind, ist das an Tragik oft nicht zu überbieten. Dennoch müssen Gerichte wie im Folgenden das Oberlandesgericht Celle (OLG) auch bei Todesfällen Sachlichkeit wahren und den Anspruch an Hinterbliebenengeld und Bestattungskostenübernahme an den gegebenen Fakten messen.
Ein Mann wurde von einem Fahrzeug erfasst, als er im stark alkoholisierten Zustand mit 2 ‰ eine Landstraße überquerte. Dabei kollidierte er mit dem vom Beklagten geführten Fahrzeug und verstarb noch am Unfallort. Die Mutter des Verstorbenen verlangte als Klägerin nun unter anderem ein Hinterbliebenengeld von 12.000 EUR. Das zunächst mit der Sache befasste Landgericht (LG) sprach der Klägerin von ihren geltend gemachten Ansprüchen 3.333 EUR aufgrund des der Klägerin zuzurechnenden Mitverschuldens des Geschädigten zu, wobei es dabei ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 10.000 EUR angesetzt und der Klägerin somit 1/3 zugesprochen hatte. Dem Beklagten war dabei der Verschuldensvorwurf zu machen, dass er in Kenntnis eines am Fahrbahnrand befindlichen Fußwegs seine Geschwindigkeit nicht reduziert hatte. Der Bremsvorgang bei Fußgängern, die unvorhergesehen die Straße überqueren, sei daher zu lang gewesen. Dennoch habe der Geschädigte den Unfall größtenteils selbst verschuldet, weil er die Straße überquert hatte, ohne auf das bevorrechtigte Fahrzeug zu achten.
Das OLG hat die Entscheidung des LG bestätigt. Der Unfall war überwiegend durch den stark alkoholisierten Fußgänger verschuldet worden. Dieser hatte gegen die ihn treffenden Sorgfaltsanforderungen verstoßen, indem er sich nicht hinreichend davon überzeugt hatte, dass der Beklagte ihn trotz seines Vorrangs auf der Fahrbahn sicher passieren lassen wollte. Nach den Feststellungen des vom Gericht beauftragten Sachverständigen hätte der Fußgänger den Unfall durch einen Verzicht oder Abbruch seiner Fahrbahnüberquerung verhindern können. Für ihn war das sich nähernde Beklagtenfahrzeug sichtbar. Der Geschädigte hätte auf seiner Fahrbahnseite stehen bleiben und den Beklagten vorbeifahren lassen können - und müssen. Der Geschädigte hatte damit die entscheidende Ursache für das Unfallgeschehen gesetzt. Dennoch trifft auch den Beklagten ein Mitverschulden, weil er seine Geschwindigkeit nicht reduzierte, obwohl er von dem Fußweg wusste.
Hinweis: Grundsätzlich gilt, dass das Überschreiten einer Fahrbahn von einem Fußgänger erhöhte Sorgfalt erfordert. Da eine Fahrbahn in erster Linie dem Fahrzeugverkehr dient, hat der Fahrzeugführer grundsätzlich Vorrang. Auf den bevorrechtigten Fahrzeugverkehr hat der Fußgänger Rücksicht zu nehmen, also bei Annäherung eines Fahrzeugs zu warten; der Kraftfahrer darf darauf vertrauen, dass ein Fußgänger die Fahrbahn nicht kurz vor seinem Fahrzeug zu überqueren versucht. Das Betreten der Fahrbahn ohne Beachtung des Fahrzeugverkehrs ist in der Regel grob fahrlässig.
Quelle: OLG Celle, Urt. v. 18.12.2024 - 14 U 119/24
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 05/2025)
Wer ein Auto anmietet, tut gut daran, einen Vollkaskoschutz abzuschließen. Doch wer meint, damit sei jeder Schadensersatz abgewendet, der aus eigener Tasche zu begleichen sei, der irrt. So musste sich ein Beklagter vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht (OLG) der Prüfung unterziehen, wie hoch das Eigenverschulden daran war, dass das angemietete Fahrzeug beschädigt wurde.
Der Fall ist schnell erklärt: Der Beklagte fuhr in eine Tiefgarage ein, deren Durchfahrtshöhe für Fahrzeuge auf 2,10 m begrenzt war. Das entsprechend über der Einfahrt angebrachte Zeichen 265 zeigte diese Begrenzung deutlich auf. Doch es kam, wie es kommen musste: Der Mann ignorierte das Zeichen und beschädigte das Mietfahrzeug.
Nach Auffassung des OLG steht der Klägerin ein Schadensersatzanspruch wegen der Beschädigung des angemieteten Fahrzeugs zu. Der Beklagte hat zumindest fahrlässig die Beschädigung des Mietfahrzeugs verursacht, indem er mit dem von ihm angemieteten Fahrzeug in die Tiefgarage einfuhr. Weil diese für Fahrzeuge mit einer Fahrzeughöhe über 2,10 m nicht zugelassen war, habe er seine Pflicht verletzt, aus dem zugrundeliegenden Mietvertrag alles zu unterlassen, was zu Schäden an dem gemieteten Fahrzeug führen kann. Damit habe er sich schadensersatzpflichtig gemacht. Zwar haben die Parteien im Mietvertrag eine Haftungsbefreiung nach den Grundsätzen einer Vollkaskoversicherung vereinbart. Laut dieser hafte der Beklagte über den vertraglich vereinbarten Selbstbehalt von 150 EUR hinaus lediglich dann, wenn er den Schadensfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Hier ging der Senat in der Tat davon aus, dass dies der Fall war. Der Beklagte handelte grob sorgfaltswidrig, weil er in die Tiefgarage einfuhr und dabei - wie er selbst im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt hat - das über der Einfahrt angebrachte Zeichen 265 übersah, das auf eine maximale Durchfahrtshöhe von 2,10 m hinwies.
Hinweis: Das Vorliegen grober Fahrlässigkeit ist eine Frage des Einzelfalls. Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv und subjektiv schweren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden sein. Zudem muss dabei unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ein objektiv grober Pflichtenverstoß rechtfertigt hierbei für sich allein noch nicht den Schluss auf ein entsprechend gesteigertes persönliches Verschulden, nur weil ein solches häufig damit einhergeht. Vielmehr erscheint ein solcher Vorwurf nur dann als gerechtfertigt, wenn eine auch subjektiv "schlechthin unentschuldbare" Pflichtverletzung vorliegt.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Urt. v. 12.12.2024 - 12 U 42/24
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 05/2025)
Der folgende Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) erklärt die Zeiten, in denen das Internet als Neuland galt, für vergangen. Denn was er aktuell für Anforderungen an Widerrufsbelehrungen in Neuwagenkaufverträgen bei Fernabsatzgeschäften stellt - zu denen eben auch das Internet zählt -, nimmt Verbraucher schlichtweg mehr in die Eigenverantwortung.
Der Mann erwarb im Februar 2022 von der Beklagten, die mit Kraftfahrzeugen handelt, ein Neufahrzeug im Wege des Fernabsatzes. Die Beklagte, die auf ihrer Website unter Kontakt und im Impressum ihre Telefonnummer angegeben hatte, verwendete nicht die Musterwiderrufsbelehrung, sondern eine in Teilen davon abweichende Version. Darin wurden die Postanschrift und die E-Mail-Adresse der Beklagten mitgeteilt - deren Telefonnummer hingegen nicht. Ein Widerruf solle laut Hinweis mittels einer eindeutigen Erklärung durch einen per Post versandten Brief oder eine E-Mail erklärt werden. Am 23.08.2022 wurde dem Käufer das Fahrzeug übergeben. Am 20.06.2023 erklärte er per E-Mail jedoch den Widerruf seiner auf Abschluss des Kaufvertrags gerichteten Erklärung und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs. Dabei ging er davon aus, dass sein Widerruf des Vertrags noch rechtzeitig sei - der Grund hierfür sei die fehlerhafte Information zum Widerruf.
Der BGH hielt die Klage - wie die Vorinstanzen im Übrigen auch - für unbegründet. Teilt ein Unternehmer in der Widerrufsbelehrung (als beispielhafte Kommunikationsmittel für den Widerruf) seine Postanschrift sowie seine E-Mail-Adresse mit, ist die zusätzliche Angabe der Telefonnummer des Unternehmers nicht erforderlich. Zudem sei diese hier ohne weiteres auf der Internetseite zugänglich gewesen. Bereits durch die Angabe ihrer E-Mail-Adresse, ergänzt durch die Mitteilung ihrer Postanschrift, habe die Beklagte den Verbrauchern Möglichkeiten eröffnet, schnell mit ihr in Kontakt zu treten und effizient mit ihr zu kommunizieren. Dabei waren den Verbrauchern andere Kommunikationswege auch nicht verstellt, da die vom Kläger in der Widerrufsbelehrung vermisste Telefonnummer sowohl im Impressum als auch unter der Kontaktoption problemlos zu finden war.
Hinweis: Der BGH hatte zu entscheiden, ob eine Widerrufsfrist von 14 Tagen ab Erhalt der Ware gilt (§ 355 Abs. 2, § 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) oder ob das Widerrufsrecht erst mit zwölf Monaten und 14 Tagen nach dem Beginn der gesetzlichen Widerrufsfrist erloschen ist (§ 356 Abs. 3 Satz 2 BGB). Der BGH hat die Anforderungen an Widerrufsbelehrungen in Neuwagenkaufverträgen mit Verbrauchern bei Fernabsatzgeschäften nunmehr näher bestimmt. Demnach ist es für eine schnelle und effiziente Kontaktaufnahme mit dem Verkäufer nicht erforderlich, dass auf der Internetseite in der Widerrufsbelehrung - über die Post- und E-Mail-Adresse hinaus - auch eine Telefonnummer des Unternehmers angegeben wird.
Quelle: BGH, Beschl. v. 25.02.2025 - VIII ZR 143/24
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 05/2025)
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