Auf dieser Seite finden Sie aktuelle Mandanteninformationen. Wenn Sie recherchieren oder ältere Ausgaben betrachten möchten, können Sie hier unser Archiv aufrufen.
Zum Thema Verkehrsrecht
- Erforderliche und mögliche Aufmerksamkeit: Mitschuld bei Kollision eines Linksabbiegers mit unbeleuchtetem Fahrzeug möglich
- Kein automatischer Vorsatz: Selbst eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 40 % kann fahrlässiger Natur sein
- Laut Annonce unfallfrei: Anrecht auf Rückgabe des Gebrauchten trotz Zusatz zu "Unfallschaden" im Kaufvertrag
- Rechtsfahrgebot und Vorfahrtregeln: Unfall im unmittelbaren Kreuzungsbereich eines Kreisverkehrs
- Unredliche Verhaltensweise: Anspruchssicherung nach Täuschung über Lieferfähigkeit anzuzahlender Luxusautos
Wer am frühen Abend mit seinem unbeleuchteten Auto einen Unfall verursacht, muss haften. Erst recht in der Winterzeit, oder etwa nicht? Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) musste sich mit einer solchen Sachlage befassen. Die Kollegen vom Landgericht (LG) stimmten dem Anspruch des Geschädigten nämlich nicht zu 100 % zu. Denn obwohl dieser sein Fahrzeug ordnungsgemäß beleuchtet hatte, war er als Linksabbieger nicht gänzlich unbeteiligt an dem Malheur.
Der Autofahrer wollte von einer Hauptverkehrsstraße links abbiegen. Aufgrund der Dunkelheit - wir befinden uns im Monat März so zwischen halb sieben und sieben Uhr am frühen Abend - übersah der Abbiegende das entgegenkommende Fahrzeug. Das wundert nicht, denn dieses Auto war unbeleuchtet. Und so kam es dann auch zur Kollision. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug an der Unfallstelle 70 km/h. Zum Unfallzeitpunkt waren die Straßenlaternen und der Lichtmast bereits eingeschaltet. Der Autofahrer forderte Schadensersatz von der gegnerischen Versicherung. Diese zahlte jedoch nur 2/3 des entstandenen Schadens, da sie der Ansicht war, dass das bei ihr versicherte Fahrzeug bei gebotener Aufmerksamkeit auch ohne Beleuchtung hätte erkannt werden können. Der Autofahrer bestand aber auf die Erstattung von 100 % des verlangten Schadensersatzes, was das LG abwies. Damit wollte es der Mann nicht gut sein lassen und ging vor das OLG.
Das OLG wies ihn jedoch auf die Erfolglosigkeit der Berufung gegen das Urteil des LG hin und bestätigte die Auffassung der ersten Instanz. Nach der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass der Entgegenkommende bei der erforderlichen und möglichen Aufmerksamkeit hätte erkannt werden können. Zwar sei die Tatsache, dass dieser kein Abblendlicht eingeschaltet hatte, als grober Pflichtenverstoß zu werten, dennoch sei eine Mithaftung des Linksabbiegers von 1/3 angemessen. Die Einholung eines Gutachtens war indes nicht möglich, da die genauen Sichtverhältnisse am Unfalltag nicht rekonstruierbar waren.
Hinweis: Der entgegenkommende Autofahrer hat gegen § 17 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) verstoßen, weil er wegen der bereits zum Unfallzeitpunkt eingetretenen Dämmerung ohne Abblendlicht gefahren ist. Der Kläger hat aber ebenfalls sorgfaltswidrig gehandelt, weil er - trotz Sichtbarkeit des unbeleuchtet entgegenkommenden Fahrzeugs - gleichwohl nach links abgebogen ist, ohne seiner Wartepflicht zu genügen (§§ 1 Abs. 2, 9 Abs. 3 Satz 1 StVO). Wer nach links abbiegen will, muss entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen. Für den Linksabbieger besteht eine entsprechende Wartepflicht. Sein Verschulden war daher mit 1/3 zu bewerten.
Quelle: Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 07.07.2025 - 7 U 41/25
| zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 11/2025)
Man kann es drehen, wie man will: 40 % sind nur zehn Zähler bis zur Hälfte, und ein Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in dieser Höhe sollte nicht einfach "aus Versehen" passieren. Das Amtsgericht Landstuhl (AG) war da aber etwas dezidierterer Meinung, was dabei den automatischen Vorwurf des Vorsatzes anging. Und so zeigt der folgende Fall hervorragend auf, wie Gerichte mit dem richtigen Augenmaß urteilen.
Ein Autofahrer befuhr innerorts eine Straße mit einem Tempolimit von 30 km/h - dies jedoch mit rund 46 km/h (nach Abzug der Messtoleranz). Woher man das weiß? Genau, er wurde geblitzt. Daher erging an ihn ein Bußgeldbescheid, wobei das Bußgeld aufgrund der erheblichen Überschreitung verdoppelt wurde. Die Begründung dafür war die Annahme von Vorsatz. Damit war, man ahnt es, der Betroffene aber nicht einverstanden und legte Einspruch ein. Er sei irrtümlich davon ausgegangen, auf einer nicht limitierten Straße unterwegs gewesen zu sein. Und in seinem Irrtum verhielt der Mann sich durchaus sehr vorbildlich, denn selbst ohne Toleranzabzug sei er mit "nur" 49 km/h unterwegs gewesen. Es könne daher nicht von einer vorsätzlichen Begehung ausgegangen werden.
Das AG gab dem Betroffenen recht. Allein die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit um 40 % lasse bei sehr niedrigen Geschwindigkeitsbegrenzungen keinen automatischen Rückschluss auf eine vorsätzliche Begehung zu. Hier müssten weitere Beweisanzeichen hinzukommen, beispielsweise das Fahrverhalten anderer, die etwa die Höchstgeschwindigkeit einhielten. Doch die gab es hier schlichtweg nicht. Und selbst, wenn der Fahrer das Tempolimit wahrgenommen hätte, sei nicht automatisch sichergestellt, dass er auch wahrnahm, möglicherweise zu schnell zu sein. Es sei daher von einer fahrlässigen Begehungsweise auszugehen.
Hinweis: Laut AG muss differenziert werden - selbst, wenn die obergerichtliche Rechtsprechung eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 40 % oder mehr im Hinblick auf die Wahrnehmung der Fahrgeschwindigkeit regelmäßig als ein verlässliches Indiz für (zumindest bedingt) vorsätzliches Handeln anerkennt. Bei der Überschreitung einer verhältnismäßig niedrigen Geschwindigkeitsbegrenzung (in diesem Fall um 12 km/h) müssen vielmehr weitere belastbare Beweisanzeichen hinzukommen, die für eine Wahrnehmung der Fahrgeschwindigkeit durch den Fahrzeugführer sprechen. Nur dann kann die Annahme eines Vorsatzes begründet sein.
Quelle: AG Landstuhl, Beschl. v. 07.08.2025 - 2 OWi 4211 Js 8201/25
| zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 11/2025)
Wenn die eine Seite etwas anderes behauptet als ihr Gegenüber, fragen Gerichte nach Beweisen. Als nach einem Autokauf, der zumindest die Käuferseite unglücklich zurückließ, eben solche Beweise vom Landgericht Kiel (LG) gefordert wurden, konnte es sich nur an zwei Schriftstücke halten. Doch vor allem diese widersprachen sich. Hatte der Käufer, der einen Zusatz im Vertrag nicht richtig gelesen hatte, nun das Nachsehen?
Der Privatkäufer kaufte den Gebrauchtwagen bei einem Händler. In der im Fahrzeug ausliegenden Annonce war das Fahrzeug als unfallfrei betitelt. In dem später geschlossenen Kaufvertrag jedoch, der als "verbindliche Bestellung" überschrieben war, war dann eingefügt "entgegen Annonce Unfallschaden lt. Vorbesitzer". Als der Käufer schließlich einige Zeit nach Übergabe des Fahrzeugs einen Verkehrsunfall erlitt, wurde im Rahmen der sachverständigen Begutachtung des Unfallschadens festgestellt, dass der Wagen hinten links einen nicht unerheblichen Vorschaden aufwies. Der Käufer erklärte daraufhin die Anfechtung des Vertrags, da ihm der Unfallschaden verschwiegen worden sei. Der Verkäufer sah das völlig anders und verweigerte die Rückabwicklung: Er verwies auf den Hinweis in der Bestellung.
Das LG stellte sich auf die Seite des Käufers, da es der Ansicht war, dass der Verkäufer nicht nachweisen konnte, dass der Käufer vor Vertragsabschluss über den Unfallschaden ordnungsgemäß informiert worden sei. Dem Vertrag sei nur zu entnehmen, dass entgegen der Annonce ein Unfallschaden laut Vorbesitzer vorliege - und dies nicht einmal in einer hervorgehobenen Form, die deutlich auf den Widerspruch zur Annonce hätte aufmerksam machen können. Dass der Käufer über Art und Umfang und Reparaturvorgänge informiert wurde, sei daher nicht erkennbar. Der Käufer konnte seinerseits aber durchaus glaubhaft machen, dass der nachträgliche Passus über den Unfallschaden laut Vorbesitzer von ihm nicht wahrgenommen wurde. Es sei auch keine Verhandlung über eine Kaufpreisreduzierung erfolgt, was angesichts des Kaufpreises, der auf einer Unfallfreiheit des Fahrzeugs beruhte, zu erwarten gewesen wäre. Zudem weise der Zusatz "laut Vorbesitzer" darauf hin, dass der Händler sich kein eigenes Bild vom Schadensumfang gemacht habe. Demnach habe der Händler hier seine Aufklärungspflicht verletzt, was ihn nun zur Rücknahme des Fahrzeugs verpflichtet.
Hinweis: Ein Verbraucher soll gegebenenfalls darüber informiert werden, dass die von ihm gekaufte Ware einen Mangel aufweist. Zwar ist im Gesetz eine Form hinsichtlich des erforderlichen Hinweises nicht vorgeschrieben, und es ist auch keine konkrete Beschreibung jeder einzelnen vom objektiven Standard abweichende Beschaffenheit erforderlich. Unzureichend ist es aber, dass ein Fahrzeug lediglich als Unfallfahrzeug bezeichnet wird. Wenn es sich wie hier um einen Unternehmer handelt, ist dieser als Verkäufer verpflichtet, über einen reparierten Vorschaden zu informieren - über Art, Umfang und Reparatur des Unfallschadens.
Quelle: LG Kiel, Urt. v. 08.05.2025 - 6 O 276/23
| zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 11/2025)
Nicht nur Fahranfängern wird es manches Mal mulmig, wenn sie einen Kreisverkehr passieren müssen. Dass diese rund verlaufende Fahrbahn mit mehreren Spuren und Abbiegemöglichkeiten durchaus ihre Tücken hat, zeigt dieser Fall, der vor dem Landgericht Lübeck (LG) landete. Dort trafen ein Autofahrer und ein Pedelecfahrer zum zweiten Mal aufeinander, um die Schuldanteile am zuvor erfolgten Zusammenstoß zu klären.
Der Beklagte befuhr im Kreisverkehr mit seinem Pedelec den Fahrradschutzstreifen. Der Autofahrer musste aufgrund eines Staus bremsen, so dass das Heck des Autos noch 20 bis 30 cm in den Fahrradschutzstreifen hineinragte. Der Pedelecfahrer kollidierte daraufhin mit dem stehenden Auto. Vor dem LG forderte der Autofahrer Schadensersatz in Höhe von insgesamt 8.613,05 EUR (inklusive Gutachterkosten) von dem Pedelecfahrer. Die Einzelheiten des Unfallhergangs waren zwischen den Parteien streitig.
Das LG entschied, dass der beklagte Pedelecfahrer 35 % der Schäden ersetzen muss. Die übrigen 65 % muss der Autofahrer tragen - insoweit hat das Gericht die Klage abgewiesen. Das Pedelec war im Streitfall als Fahrrad zu bewerten. Der Beklagte hätte laut Gericht mit seinem Pedelec äußerst rechts fahren müssen, da der Fahrradschutzstreifen Teil der Fahrbahn sei, auf dem das Rechtsfahrgebot gilt, weil er nicht von der Fahrbahn abgetrennt, sondern ein markierter Teil dieser Fahrbahn war. Wäre der beklagte Pedelecfahrer äußerst rechts gefahren, hätte er nach Überzeugung des Gerichts problemlos an dem Auto vorbeifahren können. Zudem war er zu schnell unterwegs. Er hätte seine recht hohe Geschwindigkeit verringern und überprüfen müssen, ob der Kläger ihn sehen würde. Schön und gut - aber warum muss der Kläger den Großteil der Schäden in Höhe von 65 % tragen? Ganz einfach: Ihn trifft die überwiegende Schuld, erstens aus der sogenannten Betriebsgefahr seines Fahrzeugs heraus. Zweitens sprach der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass sich der Unfall bei der Einfahrt des Klägerfahrzeugs im unmittelbaren Kreuzungsbereich des Kreisverkehrs ereignet hatte. Der Kläger wollte mit seinem Auto in einen Kreisverkehr einfahren und hatte daher grundsätzlich die Vorfahrt zu achten. Somit ging das Gericht von einem Vorfahrtsverstoß des Klägers aus.
Hinweis: Der Kläger hatte rechtswidrig auf dem Fahrradschutzstreifen gehalten. Beim Überfahren des Schutzstreifens darf der Radverkehr nicht gefährdet und auf dem Schutzstreifen nicht gehalten werden. Fahrradschutzstreifen sind ein durch eine gestrichelte Linie vom Rest der Fahrbahn abgetrennter Bereich für Radfahrer.
Quelle: LG Lübeck, Urt. v. 13.06.2025 - 9 O 146/24
| zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 11/2025)
Dass man mit Geld nicht alles kaufen kann, liegt unter anderem auch an Betrügern, die zwar das Geld wollen, aber dafür nichts zu geben bereit sind. Was passiert, wenn man einen beachtlichen Betrag anzahlt, weil man den Verkäufern von Luxusautos aufgesessen war, die augenscheinlich viel zu bieten, aber nichts zu liefern hatten, klärte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG).
Die Klägerinnen kauften von den drei Beklagten vier exklusive Fahrzeuge - und zwar drei Ferraris für jeweils 700.000 EUR sowie einen Mercedes AMG für 3,25 Mio. EUR. Die Lieferung der Fahrzeuge blieb jedoch aus. Daher traten die Klägerinnen nicht nur von den Verträgen zurück, sondern beantragten nunmehr bezüglich ihres noch ausstehenden Rückzahlungsanspruchs von 700.000 EUR die Anordnung des dinglichen Arrests in das Vermögen der Beklagten. Ein solcher Vermögensarrest ist in der Tat eine Beschlagnahme einzelner Vermögensgegenstände, was man zumeist aus Meldungen zu "eingefrorenem" Vermögen kennt, um den späteren Zugriff auf diese Werte sichern zu können. Hier hatte das zuvor damit betraute Landgericht dem Antrag weitgehend stattgegeben.
Die darauf erfolgte Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Klägerinnen konnten ihre Zahlungsansprüche glaubhaft machen, da die Beklagten sie über ihre Liefermöglichkeit getäuscht hätten. Es war davon auszugehen, dass den Beklagten die Beschaffung der Fahrzeuge tatsächlich nicht möglich war. Vertraglich hätten sie jedoch die Lieferfähigkeit konkludent zugesichert. Allen mit dem Handel hochpreisiger Fahrzeuge vertrauten Beteiligten sei zwar klar gewesen, dass die Fahrzeuge nicht bei den Beklagten in der Garage stehen, sondern erst beschafft werden müssten. Mit den kaufvertraglichen Formulierungen sei aber vorgetäuscht worden, dass die Beklagten die Fahrzeuge beim Hersteller bestellen und diese dann auch geliefert werden könnten. Nicht erkennbar sei es hingegen gewesen, dass die Verkäufer nicht nur keinen Kontakt zum Hersteller oder Verträge oder Zusicherungen von anderen Zwischenhändlern hatten - zum Zeitpunkt der Vertragsschlüsse habe noch nicht mal die Aussicht für den Erwerb der Fahrzeuge bestanden. Aufgrund dieses Irrtums zur Lieferfähigkeit hatten die Klägerinnen jedoch ihre Anzahlungen geleistet. Die Klägerinnen hätten auch einen Arrestgrund glaubhaft gemacht. Dieser sei anzunehmen, wenn ohne Arrest die Vollstreckung eines Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Neben den hier vorliegenden Vermögensdelikten bestünden weitere Anhaltspunkte, dass die Beklagten ihre unredliche Verhaltensweise gegenüber den Klägerinnen fortsetzen und den rechtswidrig erlangten Vermögensvorteil und ihr sonstiges Vermögen dem Zugriff der Klägerinnen entziehen würden.
Hinweis: Ein Arrestbefehl soll verhindern, dass sich die für Vollstreckungsmaßnahmen zu Verfügung stehende Haftungsmasse des Schuldners durch eine zwischenzeitliche Veränderung der Verhältnisse verringert - sei es, dass Vermögensgegenstände verloren gehen oder unauffindbar werden.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 25.07.2025 - 32 U 1/25
| zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 11/2025)
Sollten Sie Fragen zu den angeführten Entscheidungen der Gerichte haben, die in Bezug zu Ihrem persönlichen Anliegen stehen, treten Sie gern mit uns in Verbindung.
