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Zum Thema Verkehrsrecht
- Beschaffenheitsvereinbarung bei Autokauf: Zustandsnote gilt als konkrete Auskunft über Erhaltungszustand eines Oldtimers
- Nach berührungslosem Unfall: Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile
- Schadensminderungspflicht: Keine Nutzungsausfallentschädigung bei Vorhandensein weiterer Fahrzeuge
- Tesla online gekauft: Zulässige Widerrufsbelehrung ohne Telefonnummer und Kostenangaben zur Rücksendung
- Ungeeigneter Berufskraftfahrer: Keine Berücksichtigung von beruflichem Härtefall bei Erreichen von acht Punkten
Das Schulnotenprinzip wird von klein auf so stark verinnerlicht, dass es sich auch im Erwachsenendasein als Bewertungsskala überall wiederfindet. So ist es auch im Bereich der Gebrauchtwagenverkäufe. Doch Vorsicht: Wer eine solche Einschätzung zum Erhaltungszustand in den Kaufvertrag aufnimmt, steht dafür gerade, dass sich der Käufer im Ernstfall darauf stützen darf. Dieser Ernstfall war vor dem Bundesgerichtshof (BGH) ein bei der Hauptuntersuchung (HU) durchgefallener Oldtimer.
Der Kläger erwarb im Jahr 2020 im Rahmen eines Privatkaufs einen MG Typ B Roadster, Baujahr 1973 mit H-Zulassung. Der Beklagte hatte für dieses Fahrzeug eine Verkaufsanzeige auf einer Onlineplattform geschaltet. Dort war als Zustandsnote "2-3" angegeben und Bezug genommen worden auf bereits vorliegende Gutachten. Als der neue Halter Anfang des Jahres 2022 das Fahrzeug zur HU vorstellte, wurde die Erteilung einer Prüfplakette wegen erheblicher Mängel abgelehnt - unter anderem wegen starker Korrosion. Nach erfolgloser Aufforderung zur Mangelbeseitigung erklärte der Kläger schließlich den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte mit seiner Klage vom Beklagten im Wesentlichen die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Die Klage hat in den Vorinstanzen zunächst keinen Erfolg gehabt, die Revision des Klägers hingegen schon.
Der BGH entschied nun, dass hier eine Beschaffenheitsvereinbarung dahingehend vorlag, dass das Fahrzeug einen der Zustandsnote "2-3" entsprechenden Zustand aufweise - also einen im mittleren Bereich zwischen den Zustandsnoten "2" und "3" liegenden Erhaltungszustand nach den üblichen Bewertungskriterien. Ob im Einzelfall eine Beschaffenheitsvereinbarung gegeben ist, ist eine Frage der nach beiden Seiten hin interessengerechten Vertragsauslegung. Der Angabe einer Zustandsnote durch den Verkäufer kommt aus Sicht des Käufers die Aussage zu, dass sich das Fahrzeug in einem dieser Zustandsnote entsprechenden Erhaltungszustand befinde und der Verkäufer für das Vorliegen dieses Zustands die Gewähr übernehme. Es ist deshalb von einer Beschaffenheitsvereinbarung auszugehen. Die Bezugnahme auf die Gutachten im Zusammenhang mit dieser Angabe war nicht so zu verstehen, dass der Beklagte auf die Gutachten als fremde Quellen verweisen und zum Ausdruck bringen wollte, dass es sich bei der angegebenen Zustandsnote um fremdes Wissen handele, für das er nicht einstehen wollte. Denn zum einen entsprach die im Kaufvertrag angegebene Zustandsnote von "2-3" weder der Zustandsnote aus einem der Gutachten noch ergab sie sich etwa aus der Bildung eines Mittelwerts der Bewertungen dieser Gutachten. Der BGH verwies deshalb die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück an das Berufungsgericht.
Hinweis: Wird beim Verkauf eines Oldtimers eine Zustandsnote im Kaufvertrag angegeben, stellt diese regelmäßig eine Beschaffenheitsvereinbarung dar. Die Verwendung von Zustandsnoten für die Einstufung des Erhaltungszustands von Oldtimern in einem mehrstufigen Bewertungsmodell ist allgemein gebräuchlich und branchenüblich. Diese allgemein bekannten und anerkannten Zustandsnoten geben konkret Auskunft über den Erhaltungszustand eines Oldtimers. Sie haben maßgeblichen Einfluss auf den Wert und damit auch den Kaufpreis des Fahrzeugs.
Quelle: BGH, Urt. v. 23.07.2025 - VIII ZR 240/24
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 10/2025)
Bei einem berührungslosen Unfall kann der Schaden dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs zugerechnet werden, sobald er bei einem Überholvorgang durch eine Ausweichreaktion ausgelöst worden ist. Das Oberlandesgericht Schleswig (OLG) musste im Folgenden prüfen und bewerten, ob dieses "Kann" im behandelten Fall zutrifft - also einer von zwei Verkehrsteilnehmern haften müsse - oder eine diesbezügliche Klage eher abzuweisen sei.
Die Klägerin beabsichtigte, mit ihrem Motorrad links in eine Grundstückszufahrt einzubiegen, wobei sie jedoch den Blinker nicht gesetzt hatte. Der Beklagte passierte mit seinem Pkw die Klägerin, die daraufhin aus ungeklärten Umständen mit ihrem Motorrad stürzte und sich einen Bruch des Oberarmknochens zuzog. Das zunächst zuständige Landgericht (LG) hat die Klage abgewiesen. Hiergegen legte die Klägerin Berufung vor dem OLG ein - dies jedoch erfolglos.
Das OLG hat in einem Hinweisbeschluss darauf hingewiesen, dass die Berufung keinen Erfolg haben werde, da der Beklagte den Sturz der Klägerin nicht verursacht hatte. Im Rahmen der Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrer beider beteiligten Fahrzeuge sind unter Berücksichtigung der von beiden ausgehenden Betriebsgefahr nur unstreitige oder aber zugestandene und bewiesene Umstände zu berücksichtigen. Ein Sorgfaltspflichtverstoß des Beklagten in Form einer Abstandsunterschreitung konnte von der Klägerin nicht bewiesen werden. Die vom LG vernommene Zeugin hatte glaubhaft bekundet, dass der Beklagte in einem ausreichenden Sicherheitsabstand von etwa 1,5 m bis 2 m an dem Motorrad der Klägerin vorbeigefahren sei. In der Regel reiche ein Seitenabstand von 1 m aus. Demgegenüber lag ein eindeutiger Verstoß der Klägerin beim Linksabbiegen vor, da diese nicht nach links geblinkt habe und zudem ihrer doppelten Rückschaupflicht nicht nachgekommen sei.
Hinweis: Bei einem berührungslosen Unfall ist Voraussetzung für die Zurechnung des Betriebs eines Kraftfahrzeugs zu einem schädigenden Ereignis, dass es über seine bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat. Dies konnte nicht bewiesen werden. Das Gericht hat zudem darauf hingewiesen, dass der gemäß § 5 Abs. 4 Satz 3 Straßenverkehrs-Ordnung geltende Sicherheitsabstand von mindestens 1,5 m beim Überholen innerorts nicht für das Überholen von Motorrädern gilt.
Quelle: OLG Schleswig, Beschl. v. 02.06.2025 - 7 U 23/25
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 10/2025)
Ein Unfall zieht mit den entstandenen Schäden Verzicht und Aufwand nach sich. Relatives Glück dabei hat der schuldlos am Unfall Beteiligte, der entsprechenden Ersatz vom gegnerischen Versicherer erwarten kann. Doch so großzügig sich Versicherer manchmal zeigen: Nicht alles ist ersatzfähig. Dass das selbst dann gilt, wenn auf das Privatfahrzeug eine Zeitlang verzichtet werden muss, zeigt diese Entscheidung des Landgerichts Hamburg (LG).
Ein Autofahrer wurde unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt, wobei sein Fahrzeug (ein Straßenrennwagen der Marke Donkervoort) erheblich beschädigt wurde. Neben den Reparaturkosten forderte der Geschädigte Nutzungsausfall für die Dauer der Reparatur. Die Versicherung verweigerte die Zahlung und berief sich darauf, dass dem Geschädigten zwei weitere Fahrzeuge zur Verfügung stünden - nämlich ein BMW Z 4 und ein 3er BMW als Dienstwagen auch zur privaten Nutzung. Es sei daher kein Nutzungsentzug gegeben.
Das LG gab der Versicherung recht. Es sei dem Geschädigten im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht durchaus zumutbar, die weiteren vorhandenen Fahrzeuge zu nutzen. Der Geschädigte hatte selbst vorgetragen, dass er für Alltagsfahrten diese ihm zur Verfügung stehenden Fahrzeuge nutze, den verunfallten Wagen hingegen nur für Ausflugsfahrten oder Treffen mit anderen Autoliebhabern. Für eben jene Zwecke seien die BMWs nach Meinung des Geschädigten schlichtweg nicht geeignet. Der Zweck, mit einem Auto im Rahmen von Ausfahrten und Treffen mit anderen Autoliebhabern prahlen zu wollen, ist nach Ansicht des Gerichts nicht ausschlaggebend und somit auch nicht ersatzfähig, da es sich nicht um einen Vermögenswert handelt. Auch das Argument, dass bei Verwandtenbesuchen ein Koffer mitgenommen würde und der Steuerberater als Beifahrer mitfahre, um Fachgespräche zu führen, ist nicht zu berücksichtigen - schließlich fänden sowohl Koffer als auch Steuerberater in den BMW-Fahrzeugen Platz.
Hinweis: Nach allgemeiner Rechtsauffassung stellt die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich ein vermögenswertes Gut dar und ist als geldwerter Vorteil anzusehen, so dass sich bei vorübergehender Entziehung ein Vermögensschaden ergeben kann. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass die Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens geeignet ist, Zeit und Kraft zu sparen und damit - in Unabhängigkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln - das Fortkommen im allgemeinsten Sinne zu fördern.
Quelle: LG Hamburg, Urt. v. 20.05.2025 - 308 O 98/24
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 10/2025)
Wer seine Geschäfte rechtlich sauber betreiben will, ist gut beraten, zur eigenen Absicherung offizielle Mustertexte zu nutzen, so zum Beispiel auch für Onlineverkäufe. Gezwungen ist hierzu niemand, solange er eigene Texte nutzt, die ebenso rechtlich wasserdicht sind wie die Mustervorlagen. Das Landgericht Frankenthal (LG) musste prüfen, ob Tesla bei seinen Onlineverkäufen trotz Fehlens einiger Eckpunkte die rechtlichen Voraussetzungen des Widerrufsrechts erfüllt hat.
Ein Mann hatte über eine Onlineplattform einen neuen Tesla für mehr als 65.000 EUR gekauft. Tesla hatte dem Bestellformular eine selbst entworfene Widerrufsbelehrung beigefügt. Ende Dezember 2022 wurde das Fahrzeug ausgeliefert. Der Käufer nutzte es ein knappes Jahr, wollte es dann aber wieder loswerden und berief sich auf zahlreiche Mängel, die seitens Tesla sämtlich bestritten wurden. Ende November 2023 widerrief der Mann schließlich den Vertrag unter Hinweis auf sein gesetzliches Widerrufsrecht als Onlinekäufer. Er sei nicht ordnungsgemäß belehrt worden, weil Tesla nicht die gesetzliche Musterbelehrung verwendet habe. Das stattdessen genutzte Formular sei dagegen nicht hinreichend klar abgefasst, die Telefonnummer der Firma sei nicht angegeben, und über die Höhe der Rücksendekosten des Fahrzeugs werde darin nicht aufgeklärt. Der Widerruf sei daher trotz des Zeitablaufs wirksam und er schulde aufgrund der fehlerhaften Belehrung auch keinen Ersatz für die Nutzung des Fahrzeugs.
Die Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs wurde vom LG abgewiesen. Der Käufer habe nach mehr als einem Jahr kein Recht mehr, den Onlinevertrag zu widerrufen. Tesla habe von der gesetzlich vorgesehenen Musterbelehrung abweichen dürfen; diese sei lediglich ein Vorschlag für einen rechtssicheren Weg. Auch im hier verwendeten Text seien die Voraussetzungen des Widerrufsrechts deutlich und konkret genug benannt. So waren weder die Angabe der Telefonnummer noch Angaben zu den Kosten der Rücksendung des Pkw gesetzlich zwingend vorgeschrieben. Der Onlinekäufer wurde in Augen des LG demnach ausreichend über sein Widerrufsrecht informiert. Auch die daneben geltend gemachten Mängel am Fahrzeug habe der Käufer sämtlich nicht nachgewiesen.
Hinweis: Neufahrzeuge werden heutzutage häufig online gekauft. Verbrauchern steht dabei grundsätzlich ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu, das sie nicht begründen müssen und über das sie der Verkäufer ordnungsgemäß belehren muss. Wenn die Widerrufsbelehrung beim Onlinekauf eines Pkw die Voraussetzungen des Widerrufsrechts deutlich und konkret benennt, kann der Verkäufer von der gesetzlichen Musterbelehrung abweichen.
Quelle: LG Frankenthal, Urt. v. 12.05.2025 - 4 O 114/24
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 10/2025)
Das Beste, was für eine verlässliche Zukunft mit Führerschein spricht, ist eine weiße Weste in Sachen Punktekonto. Doch schnell kommt diesem Vorsatz das echte Leben dazwischen, das man praktisch leider selten so gut bewältigt wie in der Theorie. Besonders Berufskraftfahrer sollten daher immer genau wissen, wann besser Schluss ist mit den Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr - denn das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) zeigt: Bei acht Punkten ist "die Pappe" weg.
Einem Berufskraftfahrer wurde die Fahrerlaubnis entzogen, da er im Fahreignungsregister acht Punkte angesammelt hatte. Daher legte er Einspruch ein und beantragte, die sogenannte aufschiebende Wirkung wiederherzustellen - also bis zur Entscheidung in der Hauptsache seine Fahrerlaubnis behalten zu können. Er argumentierte zum einen, dass die behördlichen Maßnahmen der Ermahnung und Verwarnung nicht ordnungsgemäß durchlaufen worden seien, weshalb er auf sieben Punkte zurückgesetzt werden müsse. Zudem stelle die Fahrerlaubnisentziehung für ihn als Berufskraftfahrer eine unangemessene Härte dar, da er als Alleinverdiener in eine existentielle Notlage geraten würde und die Einziehung faktisch ein Berufsverbot darstelle. Zu guter Letzt gab er an, bestimmte Fahrten zur lebenswichtigen Versorgung seiner Frau machen zu müssen, die nur von ihm vorgenommen werden könnten.
Das OVG wies den Antrag des Mannes jedoch zurück. Denn zum einen sei aus der Akte ersichtlich, dass die Maßnahmen der Behörde ordnungsgemäß durchgeführt worden waren. Alles andere hätte dem Betroffenen auch bei einer Sichtung der Akte auffallen müssen. Zum anderen könne nicht damit argumentiert werden, bei einem Berufskraftfahrer sei bei derartigen Fällen eine unzumutbare Härte gegeben. Und schließlich war von ihm auch nicht nachvollziehbar dargelegt worden, wieso eine Existenzgefährdung vorliegen könnte und bestimmte Fahrten der lebenswichtigen Versorgung seiner Frau dienen und nur von ihm vorgenommen werden können. Die mit der Fahrerlaubnisentziehung verbundenen Auswirkungen auf seine Möglichkeiten der Berufsausübung muss er im Interesse der Verkehrssicherheit und zum Schutz von Leib und Leben sowie Eigentum Dritter hinnehmen.
Hinweis: Die zwingende Entziehung der Fahrerlaubnis bei Erreichen von acht Punkten im Fahreignungsregister stellt keinen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dar. Bei diesem Punktestand geht der Gesetzgeber davon aus, dass Kraftfahrer eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer darstellen, und knüpft daran eine Ungeeignetheitsvermutung, die grundsätzlich nicht widerlegt werden kann.
Quelle: OVG Münster, Beschl. v. 23.07.2025 - 16 B 425/25
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 10/2025)
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