Bei der durchschnittlichen Prozessdauer steht Deutschland im internationalen Vergleich zwar gut da, doch kommt es auch hierzulande immer wieder zu überlangen Gerichtsverfahren, wie die Ladung des Amtsgerichts Berlin vom 01.11.2013 zeigt, mit der zu dem ersten Verhandlungstermin in einer einfachen Unfallsache am 27.08.2015 geladen wird. Der freundliche HInweis des Gerichts – es handle sich nicht um einen Schreibfehler und man solle daher von entsprechenden Anfragen absehen – klingt da schon wie Hohn.
Solche überlangen Prozesse sind eine starke persönliche und finanzielle Belastung der betroffenen Parteien.
Einen besonderen Rechtsschutz des Betroffenen gegen unangemessen lange Verfahren gab es bis vor einigen Jahren nicht. Dieser Umstand wurde durch den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof seit vielen Jahren beanstandet. Im September 2010 hat der Europäische Menschenrechtsgerichtshof sodann ein sogenanntes „Piloturteil“ gegen Deutschland erlassen, in welchem er den fehlenden Rechtsschutz bei überlangen Verfahren als strukturelles Defizit bemängelte und eine Frist bis Dezember 2011 zur Behebung dieses Defizits setzte.
Vor diesem Hintergrund wurde das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011, (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2011 Teil I Nr. 60, Seite 2302) erlassen.
Danach kann der Betroffene zunächst Verzögerungsrüge erheben. Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist; § 198 Abs. 2 S. 2 GVG. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer kann nicht pauschal bestimmt werden, sie richtet sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter; § 198 Abs. 1 S. 2 GVG.
Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt; § 198 Abs. 1 S. 1 GVG. Hat ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert, wird von Gesetzes wegen vermutet, dass ein Nachteil nichtvermögensrechtlicher Art eingetreten ist; § 198 Abs. 2 S. 1 GVG. Kann dieser Nachteil nicht auf andere Weise kompensiert werden, erhält der Beteiligte eine Entschädigung in der Regelhöhe von 1.200,00 € für jedes Jahr der Verzögerung; § 198 Abs. 2 S. 2-4 GVG. Eine Entschädigung in Geld ist jedoch ultima ratio; vorrangig ist die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war; § 198 Abs. 2 S. 2, Abs. 4 GVG.
Eine Klage zur Durchsetzung eines Entschädigungsanspruchs wegen einer überlangen Verfahrensdauer kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge bei dem zuständigen Oberlandesgericht erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden; § 198 Abs. 5 GVG.
Wir sind bemüht, für unsere Mandanten derart lange Verfahrensdauern zu vermeiden und sollte dies aufgrund der Terminstände der Gerichte nicht möglich sein, zumindest einen entsprechenden Entschädigungsanspruch durchzusetzen.