Dass die Nutzung des Mobiltelefons während der Fahrt aufgrund der nicht unerheblichen Gefahren, die hiervon ausgehen können, untersagt ist, dürfte mittlerweile jedem bekannt sein. Und trotzdem sieht man viele Autofahrer während der Fahrt mit dem Mobiltelefon am Ohr. Diese riskieren ein Bußgeld von 60,00 € und 1 Punkt.
Ein versierter Fachanwalt für Verkehrsrecht kann aber auch hier oft Hilfe leisten, denn die Nutzung des Mobilfunktelefons während der Fahrt kann unter bestimmten Voraussetzungen ahndungsfrei bleiben:
1. Start-Stopp-Automatik
Eine Entscheidung der überzeugenden Sorte lieferte kürzlich das OLG Hamm. Durch einfache Orientierung am Gesetzeswortlaut wurde im folgenden Fall festgestellt, dass eben kein Handyverstoß vorlag:
Der Betroffene stand an einer roten Ampel. Durch den Stillstand des Fahrzeugs wurde dessen Start-Stopp-Automatik ausgelöst, weshalb der Motor abgeschaltet war. Der Betroffene telefonierte und beendete das Gespräch offenbar, bevor er wieder losfuhr.
Das Amtsgericht Dortmund ging noch von einem Handyverstoß aus. Das OLG Hamm (Beschluss vom 09.09.2014, Az.: 1 RBs 1/14) sah dies anders, hob das Urteil auf und sprach den Betroffenen frei. Dafür genügte dem OLG Hamm ein einfacher Blick in das Gesetz, denn § 23 Abs. 1a Satz 2 StVO sagt zum Handyverstoß:
„Dies gilt nicht, wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist.“
Diese Voraussetzungen waren erfüllt. Die anderslautende Auffassung des Amtsgerichts Dortmund, dass der Betroffene den Motor ja nicht selbst ausgeschaltet habe, sondern dieser automatisch ausgeschaltet wurde, lässt sich wohl nur durch ausgesprochene Ergebnisorientierung erklären. Dass es hierauf nach dem Wortlaut des Gesetzes aber nicht ankommt, hat das OLG Hamm überzeugend dargelegt.
2. „Benutzung“ des Mobilfunktelefons im Sinn des § 23 Abs. 1a StVO
Die Anwaltschaft hat in der Vergangenheit vor Gericht oft auch um den Punkt der „Benutzung“ des Mobilfunkgerätes gestritten.
Aktuell hat das OLG Stuttgart (Beschluss vom 25. 4. 2016; Az: 4 Ss 212/6) einen Betroffenen freigesprochen, der während der Fahrt mit seinem PKW ein Mobiltelefon in der Hand gehalten hat.
Der Betroffene hatte zwar angegeben, telefonierend ins Auto eingestiegen zu sein. Als der Motor startete, habe sich sein Handy aber automatisch via Bluethooth mit der Freisprechanlage verbunden. Auch hatte der Betroffene zugegeben, das Telefon zwar noch am Ohr gehalten zu haben, dies sei aber zum telefonieren nicht mehr notwendig gewesen. Zum Feststellungszeitpunkt durch die Polizei hielt er das Mobiltelefon unstreitig noch in der Hand.
Das Amtsgericht hatte dieses Verhalten als fahrlässigen Verstoß gegen das Verbot der Benutzung eines Mobiltelefons während der Fahrt gewertet, § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO. Nach Auffassung des OLG Stuttgart hat das Amtsgericht hierbei zwar zutreffend gewertet, dass das Halten des Mobiltelefons für die Durchführung des Telefonats nicht erforderlich ist und ein bloßes Aufnehmen oder Halten des Geräts ohne Nutzung zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht ausreicht. Fehlerhaft habe das Amtsgericht dann aber angenommen, dass das Telefon zur Benutzung in die Hand genommen werden musste und damit im Sinn des Gesetztes „benutzt“ worden ist. Der Betroffene wurde daher vom Verstoß gegen das Verbot der Benutzung eines Mobiltelefons freigesprochen.
Auch für diese Entscheidung genügt ein Blick ins Gesetz, denn § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO sagt zum Handyverstoß:
„Wer ein Fahrzeug führt, darf ein Mobil- oder Autotelefon nicht benutzen, wenn hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons aufgenommen oder gehalten werden muss.“
Der Kreis der Tathandlung ist durch die Formulierung „gehalten werden muss“ enger gezogen. Das Verbot erfasst nicht mehr die Benutzung jeglicher Mobilfunkgeräte, die der Fahrer hält, sondern bezieht sich nur auf Geräte, die zur Benutzung gehalten werden müssen.
Das OLG Stuttgart hat angenommen, dass durch das dauerhafte Halten eines Mobiltelefons dem Betroffenen die Bewältigung der Fahreraufgabe per se nicht abgesprochen werden kann. Denn das bloße Halten eines Mobiltelefons begründet gerade kein eigenständiges Gefährdungspotenzial. Hierfür spricht, dass die Straßenverkehrsordnung (StVO) die Benutzung anderer Geräte oder die Vornahme sonstiger Tätigkeiten, die bedingen, beide Hände nicht für die eigentliche Fahraufgabe zur Verfügung zu haben, nicht verboten hat (z.B. das An- und Ausschalten des Radios, das Rauchen, der Verzehr von Speisen und Getränken).
Die Regelung des § 23 Abs. 1 a StVO wurde durch die Verordnung zur Neufassung der Straßenverkehrsordnung 2013 neu gefasst, um auch Frauen gerecht zu werden. In der ursprünglichen Fassung war vom „Fahrzeugführer“ und „Mobilfunktelefon gehalten wird“ die Rede.
Aber Achtung: Das Handyverbot am Steuer wird durch dieses Urteil nicht aufgehoben. Wer beim Autofahren das Mobilfunktelefon ans Ohr hält, ohne über die Freisprecheinrichtung zu telefonieren, muss weiterhin mit einem Bußgeld rechnen. Gleiches gilt, wenn man andere Funktionen des Mobilfunktelefons ohne die Freisprecheinrichtung im Fahrzeug nutzt.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das Amtsgericht Tiergarten – vor welchem in Berlin die Ordnungswidrigkeiten gerichtlich verhandelt werden – bei dem Vortrag, man habe über die Freisprecheinrichtung im Fahrzeug telefoniert, die Verfahren bisher ohne weiteres einstellt, da dieser Vortrag nicht widerlegt werde kann bzw. eine Überprüfung dieses Vortrags durch Inaugenscheinnahme des Fahrzeuges durch das Gericht nicht angestrengt wird.
3. weitere Entscheidungen
Durch die Vielzahl neuer, zusätzlicher Funktionen, die ein Handy hat, müssen immer häufiger Gerichte klären, ob dabei das Handyverbot am Steuer gilt oder nicht. Eine Auswahl aktueller Urteile:
Handy als Navi – verboten
Ziel eingeben und Route starten – das sollten Autofahrer besser nur dann, wenn das Fahrzeug steht und der Motor aus ist. Übrigens gilt das für Smartphones wie mobile Navigationsgeräte gleichermaßen. Das geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm hervor. Denn die gesetzlichen Vorgaben schließen neben dem Telefonieren auch „sämtliche Bedienfunktionen ein“, so die Richter. (Aktenzeichen: III-5 RBs 11/13)
Uhrzeit ablesen – verboten
Wer im Auto während der Fahrt zum Handy greift, riskiert ein Bußgeld – auch wenn er nicht telefoniert oder eine SMS schreibt. Nach Auffassung der Richter am Pfälzischen OLG Zweibrücken sei der Blick auf die Uhr eine sogenannte bestimmungsgemäße Nutzung des Handys. Damit liege ein eindeutiger Verstoß gegen die StVO vor, was die Zahlung eines Bußgeldes rechtfertige. (Aktenzeichen: 1 Ss 1/14)
Fachjuristen sehen das allerdings kritisch, da ein Blick beispielsweise auf eine Armbanduhr zum gleichen Zweck „unstreitig rechtskonform“ wäre, so Sven Hufnagel, Fachanwalt für Verkehrsrecht, in der „Neuen Juristischen Wochenschrift“.
Wegdrücken von Anruf – verboten
Wer glaubt, das Wegdrücken eines angehenden Anrufs sei vorbildliches Verhalten, der irrt. Ach das ist nach einem Urteil des OLG Köln bereits eine verbotene Nutzung des Handys. (Aktenzeichen: III-1 RBs 39/12)
Handy weiterreichen – erlaubt
Reichen Autofahrer ihr klingelndes Handy an den Beifahrer weiter, verstoßen sie nicht gegen das Handyverbot am Steuer – solange sie dabei nicht aufs Display blicken. Die Richter am OLG Köln sehen dabei keine Nutzung im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO. Der Fall sei letztlich nicht anders zu beurteilen als die Ortsveränderung eines beliebigen Gegenstands im Fahrzeug, etwa wenn der Fahrer das Mobiltelefon wegen von diesem ausgehender störender Geräusche verlege. (Aktenzeichen: III-1 RBs 284/14)
Telefonieren bei abgeschaltetem Motor – erlaubt
Sobald ein Autofahrer eine der Funktionen seines Handys nutzt, macht er sich strafbar. Eine Ausnahme gelte nur bei abgestelltem Motor – das geht aus einem Urteil des OLG Hamm hervor. In dem verhandelten Fall hatte ein Fahrer an einer roten Ampel telefoniert. Der Motor des Wagens war durch die automatische Start-Stopp-Funktion ausgeschaltet. Egal, ob automatisch oder manuell – ist der Motor aus, darf auch hinterm Steuer telefoniert werden. (Aktenzeichen: 1 RBs 1/14)
Telefonieren auf dem Standstreifen – verboten
Wer zum Telefonieren auf dem Seitenstreifen einer Autobahn oder Kraftfahrstraße hält, verstößt nach Ansicht des OLG Düsseldorf gleich doppelt gegen die StVO: neben dem Handyverbot auch gegen das Verbot des Haltens auf dem Standstreifen nach § 18 Abs. 8 StVO. Das kann sogar ein erhöhtes Bußgeld rechtfertigen. „Der Seitenstreifen ist nur für den Fall einer Panne gedacht“, so die Richter. (Aktenzeichen: IV-2 Ss OWi 84/04)
Fahrverbot für Dauertelefonierer
„Eine beharrliche Pflichtverletzung“ sehen die Richter am OLG Hamm darin, wenn ein Fahrer wiederholt verbotswidrig das Handy benutzt – und sehen ein Fahrverbot als gerechtfertigt an. Laut Verkehrsanwalt Hufnagel kommt das in der geltenden Rechtsprechung nur dann in Betracht, „wenn eine Geldbuße alleine als angemessene Sanktion nicht ausreicht“. In dem vorliegenden Fall hatte ein Fahrer bereits sieben Einträge im damaligen Verkehrszentralregister, davon drei im Zusammenhang mit „Telefonieren“. Grund genug für die Richter. (Aktenzeichen: 3 RBs 256/13)